Energiesysteme der Zukunft: Paderborner Wissenschaftler erforschen moderne und nachhaltige Konzepte der Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung
Infektionskrankheiten und Versagen im Kampf gegen den Klimawandel: Das sind laut Weltrisikobericht 2021 des Weltwirtschaftsforums die folgenreichsten Gefahren für unsere Erde. Die Corona-Pandemie und aktuelle Umweltbelastungen h?ngen mitunter eng zusammen: Zwar hat Deutschland im vergangenen Jahr fast alle Klimaziele erreicht – ohne die Lockdowns h?tte die Bundesrepublik diese jedoch verfehlt, warnte das Umweltbundesamt. Um den globalen Herausforderungen Klimawandel und Energiewende begegnen zu k?nnen, forschen Wissenschaftler am Institut für Elektrotechnik und Informationstechnik der Universit?t Paderborn an innovativen L?sungen. Wie eng die Energiewende und die Elektrotechnik verzahnt sind, verdeutlicht ihre Arbeit an zukunftsf?higen Konzepten der Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung.
Zukunftsorientierte L?sungen: regional und regenerativ
?Nachhaltige Energiekonzepte müssen weltweit umgesetzt werden, da Menschen weltweit Energie verbrauchen. Nichtsdestotrotz findet die Energiewende vor allem regional statt“, sagt Prof. Dr.-Ing. Henning Meschede, Leiter des Fachgebiets Energiesystemtechnik (EST). Man denke nur an den Gebrauch von E-Autos oder den W?rmebedarf. Auch die Nutzung erneuerbarer Energien sei regional unterschiedlich ausgepr?gt.
?Die l?nderübergreifende Vernetzung wird ein wesentlicher Bestandteil von zukünftigen nachhaltigen Energiekonzepten sein, dennoch darf der Blick auf die einzelnen Regionen nicht fehlen“, so Meschede, der an der Universit?t Paderborn untersucht, wie regenerative Energien m?glichst effizient eingesetzt werden k?nnen. ?Regionale erneuerbare Energiesysteme sind besonders dann von Bedeutung, wenn es um den Ausbau von Erzeugungskapazit?ten, Energieverteilungssystemen und die Umsetzung von Sektorenkopplungskonzepten geht. Beispielsweise wenn regenerativ erzeugter Strom aus der Region für die regionale W?rmeversorgung genutzt wird“, erkl?rt der Wissenschaftler. ?Um die direkten und indirekten Folgen des Klimawandels wie Dürre, ?berflutung oder Klimamigration zu begrenzen, muss unsere Energienutzung schnellstm?glich vollst?ndig auf erneuerbare Energien wie Wind- oder Solarenergie umgestellt werden – neben Strom auch die W?rmeversorgung und der Verkehr“, betont Meschede.
Leistungselektronik für die Energiewende
Für moderne Konzepte der Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung ist die Leistungselektronik eine Schlüsseltechnologie, ohne die die Integration erneuerbarer Energien kaum gelingen kann, erkl?rt Prof. Dr.-Ing. Joachim B?cker, Leiter des Fachgebiets Leistungselektronik und Elektrische Antriebstechnik (LEA). ?Es gibt nicht nur eine Form von elektrischer Energie, sondern jeder Verbraucher ben?tigt eine passende elektrische Versorgung“, schildert er. ?Das betrifft sowohl die H?he der Spannung als auch die Frage nach Gleich- oder Wechselspannung. Auch die Energieerzeuger generieren elektrische Energie ganz unterschiedlicher Art: Photovoltaik-Anlagen liefern Gleichspannung, Windkraftanlagen zwar Wechselspannung, aber leider nicht die zum Wechselspannungs-Stromnetz passende Frequenz. Für Energieübertragung und -verteilung wiederum sind 50Hz-Hochspannungssnetze vorherrschend. Hinzu kommen immer mehr Hochspannungs-Gleichstromübertragungen, z. B. zur Anbindung der Offshore-Windkraftanlagen oder zur Kopplung der deutschen und norwegischen Stromnetze über Seekabel“, erl?utert B?cker.
All diese Umformungen der elektrischen Energiearten – ob für LEDs oder den Motor eines E-Autos – erm?glicht heute die Leistungselektronik. Die früher praktizierte Umformung mittels gro?er und teurer rotierender Maschinens?tze ist damit überholt. ?Die Leistungselektronik bew?ltigt diese Aufgaben nicht nur mit früher unvorstellbar hohen Wirkungsgraden, oft im Bereich von 96 bis 99 Prozent, sondern bietet darüber hinaus die M?glichkeit, den Energiefluss gezielt zu steuern, und schafft dadurch die Voraussetzung für intelligente Energiesysteme“, so B?cker weiter.
Smarte Schnittstellen
Doch die Anforderungen steigen: Um regenerative Energien so effizient wie m?glich zu nutzen, sind intelligente Energiesysteme gefragt. Durch sie sollen Informationen über Erzeugungsleistungen, Energienachfrage, Anlagen- und Netzzust?nde transparent und kontinuierlich erfasst werden, um das System optimiert betreiben zu k?nnen. Kernelement ist hierbei der Ausbau von Messtechnik. ?Um erneuerbare Energien ?konomisch und ?kologisch vorteilhaft zu nutzen, ist es wichtig, dass ein intelligentes Energiesystem alle Bereiche von der Erzeugung über die Verteilung bis zur Nutzung abdeckt. Dazu z?hlen also auch die Bereiche W?rme und Mobilit?t“, so Meschede. Sektorenkopplungskonzepte, also die Verzahnung dieser einzelnen Bereiche, seien daher ein essentieller Bestandteil eines intelligenten Energiesystems.
Erheblicher Handlungsbedarf
Die beiden Wissenschaftler sind sich einig: Beim Thema erneuerbare Energien liege der Fokus bisher zu stark auf dem Stromsektor. Hier k?nnten regenerative Energien vergleichsweise leicht genutzt werden. 365足彩投注_365体育投注@ vermuten, dass Strom im Zuge der Energiewende, etwa durch E-Mobilit?t, eine noch st?rkere Rolle einnehmen werde. Mit Blick auf die weiteren Sektoren bestehe aber noch deutlicher Handlungsbedarf: ?Mehr als ein Fünftel der in Deutschland nachgefragten Endenergie wird für die Bereitstellung von Prozessw?rme in Industrie und Gewerbe genutzt – h?ufig bereitgestellt durch fossile Energietr?ger. Auch die Versorgung mit Raumw?rme und der Verkehrssektor haben hohe Anteile. Zus?tzlich zur Stromwende geh?ren also zwingend auch die W?rme- und Verkehrswende zu nachhaltigen Energiekonzepten“, sagt Meschede. In Zeiten der Corona-Pandemie stünden zwar viele andere Probleme im Mittelpunkt, doch der Wissenschaftler betont: ?Die Herausforderung Klimawandel bleibt und duldet keinen Aufschub.“
Die Begrenzung der Erderw?rmung sei ein gesamtgesellschaftliches Vorhaben, bekr?ftigt Meschede, das über die technischen Dimensionen hinausgehe: Für gesellschaftliche Analysen, ?kologische Folgenabsch?tzungen oder die Erforschung neuer Materialien müsse ebenso Expertise aus dem Maschinenbau, der Informatik und den Natur-, Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften einbezogen werden. ?Ohne interdisziplin?re Vernetzungen und Kooperationen wird weder die Aufgabe Energiewende noch die Begrenzung der Erderw?rmung gelingen“, schlussfolgert der Paderborner Wissenschaftler.
Am Institut für Elektrotechnik und Informationstechnik die Energiewende mitgestalten
Bei vielen aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen ist die Elektrotechnik Teil der L?sung. An der Fakult?t für Elektrotechnik, Informatik und Mathematik der Universit?t Paderborn forschen Wissenschaftler*innen an neuen Konzepten und auch Studierende finden hier verschiedene Angebote, die das Thema Energiewende in den Fokus rücken.
Wissenschaftler des erst kürzlich eingerichteten Fachgebiets ?Energiesystemtechnik“ (EST) erforschen regionale erneuerbare Energiesysteme und besch?ftigen sich mit industriellen und gewerblichen Sektorenkopplungskonzepten sowie Datenanalysen im Kontext erneuerbarer Energiesysteme. Die interdisziplin?ren Forschungsarbeiten haben insbesondere Schnittstellen zum Maschinenbau, zur Informatik sowie zu den Natur-, Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften. Weitere Informationen zum neuen Fachgebiet Energiesystemtechnik: ei.uni-paderborn.de/est.
Im Fachgebiet ?Leistungselektronik und Elektrische Antriebstechnik“ (LEA) forschen Wissenschaftler*innen rund um die Themen Leistungselektronik, Elektrische Antriebstechnik und intelligente Energiesysteme. Die Forschungsarbeiten finden zu einem gro?en Teil in Kooperationen mit Industriepartnern statt. Seit diesem Sommersemester bietet das Fachgebiet den Master-Kurs ?Leistungselektronik für die Energiewende“ an. Weitere Informationen zum Fachgebiet Leistungselektronik und Elektrische Antriebstechnik: ei.uni-paderborn.de/lea.