Ver­trau­ens­vol­le Zu­sam­me­n­a­r­beit: Prof. Dr. Jo­chen Bau­meis­ter über die Ko­ope­ra­ti­on von Uni­ver­si­t?t und SG Flens­burg-Han­de­witt

Seit Beginn der Saison 2017/18 kooperiert die SG Flensburg-Handewitt mit der Universit?t Paderborn. Im Interview mit dem deutschen Handballmeister stellt Prof. Dr. Jochen Baumeister von der Arbeitsgruppe Trainings- und Neurowissenschaften die Zusammenarbeit, deren Ziele und den Nutzen für Studierende in Paderborn vor.

Wie sieht die Partnerschaft zwischen der Uni Paderborn und der SG Flensburg-Handewitt genau aus?

Jochen Baumeister: Die Kooperation besteht im Messen und Auswerten von Leistungsdaten, die t?glich im Leistungssport entstehen und erhoben werden. Wir erhoffen uns, dadurch mehr Informationen über die Spieler zu bekommen, um den Prozess der Individualisierung weiter voranzutreiben. Die Universit?t Paderborn unterstützt das Trainerteam der SG Flensburg-Handewitt dahingehend, eine andere, datenbasierte Perspektive auf die Trainingssteuerung aufzuzeigen.

Was passiert genau mit den erhobenen Daten?

Baumeister: Wir analysieren in erster Linie objektive Daten zur Leistung, Belastung und Beanspruchung der Spieler, z.B. aus trainingsbegleitenden Sprung-, Sprint- und Koordinationstests. Aufgrund der Ergebnisse ist es m?glich, das Training noch individueller zu gestalten und somit jedem Spieler gerecht zu werden. Gerade in Bezug auf diese Leistungsdaten lassen sich Umf?nge und Intensit?t besser ausgestalten und steuern.

Wie wird das im Alltag umgesetzt, wie genau muss man sich den Umgang der Daten genau vorstellen?

Baumeister: Die Zeiten, in denen alle Spieler einer Mannschaft dieselben Belastungsvorgaben bekommen, sind lange vorbei. Nach einer intensiven Datenauswertung werden spezifische Anforderungsprofile für die Spieler erstellt. Nur so k?nnen wir gew?hrleisten, dass wir im Training  jedem Spieler gerecht werden und somit seine optimale Leistungsf?higkeit entwickeln k?nnen.

Dient diese optimierte Trainingssteuerung auch der Verletzungspr?vention?

Baumeister: Wir gehen bei dieser individualisierten Trainingssteuerung davon aus, dass wir ?berlastungen und Fehlbelastungen besser vermeiden k?nnen. Allerdings ist das schwer zu belegen, da sich Kontaktverletzungen, und um K?rperkontakt geht es im Handball nun mal, natürlich nicht vermeiden lassen.

Wie haben 365足彩投注_365体育投注@ mit Ihrer Arbeit die Vorbereitung auf die neue Saison der SG unterstützen k?nnen?

Baumeister: Wir unterstützen aus wissenschaftlicher Sicht. Dabei arbeiten wir eng mit dem Trainerteam zusammen. Wir beobachten Zusammenh?nge, messen Leistungsdaten und werten diese im Anschluss aus. In enger Absprache k?nnen Maik (Machulla, Cheftrainer, Red.) und Michael (D?ring, Athletiktrainer, Red.) diese Informationen für eine optimale Steuerung der Einheiten und der Rehabilitation nutzen.

Die neue Technologie KINEXON wird in der kommenden Saison in der Handball-Bundesliga eine gro?e Rolle spielen, auch die SG wird mit dem neuen System arbeiten. Was ist KINEXON eigentlich?

Baumeister: Die Handball-Bundesliga stattet die Spielst?tten mit einem lokalen System aus, dass die genaue Position eines Spielers in der Halle erkennt, ?hnlich wie GPS Systeme im Fu?ball oder Rugby, wo diese Technologie schon seit Jahren eingesetzt wird. In Echtzeit werden mit dem KINEXON System zahlreiche Positionsdaten erfasst und in Metriken wie z.B. Sprints, zurückgelegte Distanz und Sprungh?hen umgesetzt. Zur Messung tragen die Spieler unter der Spielkleidung im Nackenbereich zwischen den Schulterbl?ttern Sensoren, die in etwa die Gr??e einer Streichholzschachtel haben. Das System erfasst die Positionsver?nderungen und Beschleunigungen. Dies bietet uns die M?glichkeit, Belastung und Leistung zu quantifizieren. So kann man in den nachfolgenden Trainingswochen datenbasiert individuell reagieren und das Training gegebenenfalls anpassen.

Ist das der n?chste Schritt in der Trainingsweiterentwicklung?

Baumeister: Am Ende muss das Gesamtpaket in der Ausgewogenheit zwischen Training und Wettkampf hinsichtlich der sportartspezifischen Anforderungen stimmen. Mit unserer Arbeit haben wir das Rad nicht neu erfunden, aber es ist l?ngst nicht mehr so, dass allein Erfahrung ausschlaggebend für die Steuerung der Trainingseinheiten ist. Vielmehr wollen wir dem Trainerteam eine datenbasierte Unterstützungshilfe geben. Am Ende muss die Technologie aber auch immer in der Lage sein mitzuhelfen, den einzelnen Sportler besser zu machen. 

365足彩投注_365体育投注@ sind Professor an der Universit?t Paderborn, was k?nnen 365足彩投注_365体育投注@ Ihren Studierenden aus der Zusammenarbeit mit der SG weitergeben?

Baumeister: Es ist ja so, dass auch einige unserer Studierenden gerade zum Trainingsauftakt unterstützen, die Lauf- und Sprungtests mit den Spielern durchführen und diese dann auch entsprechend auswerten. Für die Studierenden ist es immer besser, nah am Feld der angewandten Trainingswissenschaften und Neurowissenschaften zu sein, um die Zusammenh?nge besser verstehen und dementsprechend anwenden zu k?nnen. Die Inhalte sind praxisorientiert, so finden einige Lehrveranstaltungen l?ngst fernab der H?rs?le statt, sondern in Hallen oder auf Sportpl?tzen. Dort wo eben trainiert wird. Die Zusammenarbeit mit Spitzensportvereinen wie der SG, erm?glicht uns, Studierende speziell fürs Athletiktraining im Leistungssport auszubilden und ihnen die N?he zum Sport auch im Alltag zu vermitteln.

Auch die Forschung ist in Ihrer Arbeit ein elementarer Bestandteil, wie kann man das vorantreiben?

Baumeister: In der Forschung versuchen wir, schon an der n?chsten Ebene zu arbeiten. Wir m?chten die Methoden von morgen und übermorgen entwickeln, mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) Zust?nde klassifizieren, um Vorhersagen zu treffen. Bei KI geht es um Selbstlernalgorithmen von Computern, die Muster und Konzepte anhand der erfassten Daten erlernen. Dadurch kann der PC im Idealfall unterstützend in die Trainingssteuerung eingreifen. In der Praxis würde man den Computer mit den Positionsdaten der Spieler füttern um Zust?nde wie Ermüdung oder Verletzungsrisiko vorhersagen zu k?nnen. Der PC gibt dann in Form eines Ampelsystems unterstützende Hilfestellung zur Belastungssteuerung ans Trainerteam. Das h?rt sich im Moment noch sehr zukunftsorientiert an, ist aber in vielen Bereichen unseres Lebens sichtbar, aber auch unsichtbar schon l?ngst Alltagsrealit?t. Die Frage ist also nicht, ob neue Technologien in den Handball einziehen, sondern wie wir so damit umgehen, dass wir die Technologie so gut wie m?glich einsetzen k?nnen. Für diese innovative Umsetzung ist die SG sehr aufgeschlossen und u.a. deshalb für uns ein ganz wertvoller Partner.

Abschlie?end: Was zeichnet die Zusammenarbeit der SG mit der Uni Paderborn besonders aus?

Baumeister: Das Besondere ist sicherlich, dass auf den unterschiedlichen Ebenen Sport und Wissenschaft Menschen zusammenarbeiten, die auf einer Welle liegen, die sich gut verstehen und die sich gegenseitig gro?es Vertrauen entgegenbringen. Jeder von uns arbeitet fachlich sehr unterschiedlich, dennoch ist es ein absoluter Gewinn diese verschiedenen Perspektiven und Ansichten zusammenzubringen und somit ein erfolgreiches Ergebnis mit optimaler Leistung zu erzielen.

Mir pers?nlich macht es gro?en Spa?, Fachlichlichkeit, Vertrauen und Freude an der Arbeit zu verbinden. Das ist bei uns allen gegeben. Ich hoffe, dass wir gemeinsam die n?chste Stufe erreichen und wir z.B. das KINEXON System ideal in den Trainings- und Wettkampfalltag der SG einbringen k?nnen.

Interview: SG Flensburg-Handewitt

?ber die Arbeitsgruppe Trainings- und Neurowissenschaften

Innerhalb des Departments Sport & Gesundheit der Universit?t Paderborn besteht die Arbeitsgruppe seit Besetzung des Lehrstuhls ?Trainingswissenschaften mit neurowissenschaftlichem Schwerpunkt“ zum 1. April 2018 mit Prof. Dr. Jochen Baumeister. 365足彩投注_365体育投注@ besch?ftigt sich aus einer neurophysiologischen Perspektive mit dem Zusammenhang von Gehirn und Sport zur Wiederherstellung und zum Erhalt von Gesundheit und der Entwicklung von Leistung. Handlungsfelder sind insbesondere die Leistungsentwicklung, Rehabilitation und Pr?vention von Sportverletzungen sowie das Verletzungsmanagement im Leistungssport - umgesetzt durch Betreuungsaktivit?ten von Athleten und Sportteams in Deutschland (Fu?ball- und Handball-Bundesliga) und Norwegen (Biathlon, Skispringen und nordische Kombination). Die Kooperation zwischen der SG Flensburg-Handewitt, der Akademie Flensburg (Nachwuchsleistungszentrum der SG) sowie Prof. Dr. Baumeister und seinem Team besteht seit der Saison 2017/2018.

Foto (SG Flensburg-Handewitt, Benjamin Nolte): V. l. Prof. Dr. Jochen Baumeister, Co-Trainer Mark Bult, Trainer Maik Machulla und Athletiktrainer Michael D?ring beim Trainingsauftakt der SG Flensburg-Handewitt.
Foto (Universit?t Paderborn, Simon Ratmann): Prof. Dr. Jochen Baumeister hat an der Universit?t Paderborn seit April 2018 den Lehrstuhl ?Trainingswissenschaften mit neurowissenschaftlichem Schwerpunkt“ inne.

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