Fu?ball in der Kris­en­zeit

Sportsoziologe Prof. Dr. Heiko Meier über Existenz, Ungleichheit und Solidarit?t

Seit über einem Monat rollt der Ball auf Deutschlands Fu?ballpl?tzen nicht mehr. Wichtige Einnahmen aus den Bereichen Ticketing, Sponsoring und Fernsehen fallen daher weg oder gehen zurück. Weil aber jeder Verein unterschiedliche wirtschaftliche Voraussetzungen mitbringt, trifft die aktuelle Krise einige h?rter als andere. Mit welchen Folgen sowohl bei den Profis als auch bei den Amateuren zu rechnen ist und warum die Corona-Pandemie die Machtverh?ltnisse im Fu?ball nicht dauerhaft aufmischen wird, erkl?rt Prof. Dr. Heiko Meier, Sportsoziologe an der Universit?t Paderborn.

Am 1. Juli ?ffnet üblicherweise das Transferfenster im Fu?ball. Es ist der Startschuss für unz?hlige Wechsel, in die viele Vereine rekordverd?chtige Summen investieren. Mit Millionenbetr?gen in schwindelerregender H?he wurden die Preise bisher kontinuierlich nach oben getrieben. In diesem Sommer wird sich das ?ndern – wenn auch nur bedingt. ?Als zentrale Marktteilnehmer agieren Vereine nach der doppelten Gewinnmaxime, das hei?t, sowohl sportlich als auch finanziell m?glichst erfolgreich zu sein“, sagt Meier und führt fort: ?Sparsamkeit ist deshalb grunds?tzlich kein Erfolgsrezept für das Streben nach sportlichem Erfolg, im Gegenteil. Insgesamt werden aber sicherlich Einnahmen wegbrechen, was alle Akteure zwingen wird, die beiden Erfolgsfaktoren unter ver?nderten Rahmenbedingungen neu auszutarieren.“ Konkret würde dies bedeuten, dass es zu weniger Vereinswechseln und weniger spektakul?ren Transfers k?me. Dass Vereine ihre Spitzenspieler vorzeitig unter Marktwert abgeben, sieht der Wissenschaftler allerdings nicht kommen: ?Einerseits werden diese für den sportlichen Erfolg dringend ben?tigt. Andererseits spiegelt der Marktwert den sportlichen Wert des Spielers wider. Welches Interesse sollte ein Spieler haben, dass sein Marktwert nicht als Transfersumme gezahlt wird? Schlie?lich hat dies ja auch unmittelbar Auswirkungen auf sein Gehalt.“

Existenzielle Gefahr für Normal- und Geringverdiener

Auch wenn die Spitzengruppe des Profi-Fu?balls mit seiner wirtschaftlichen Zugkraft medial st?rker im Fokus steht, hat die aktuelle Unterbrechung des Spielbetriebs ebenso enorme Auswirkungen auf kleinere Vereine, wie der Paderborner Sportsoziologe bemerkt: ?Existenziell bedrohlich wird es vor allem für die Personen, die nicht zu den Spitzenverdienern im Profi-Fu?ball z?hlen, vom Sport leben und keine beruflichen Alternativen entwickelt haben. Das sind keineswegs nur die Akteure, die auf dem Platz stehen. Im Amateur-Bereich geht es hingegen seltener um eine existenzielle Bedrohung der Vereine, aber die Rückkehr zum gewohnten Spiel- und Trainingsbetrieb wird wesentlich l?nger dauern als im Profi-Fu?ball. Dabei werden viele Vereine ihre sportlichen Ziele und Ambitionen verfehlen oder absenken müssen und sich am Ende an anderer Stelle im Ligabetrieb wiederfinden.“

Chancengleichheit als Wettbewerbskriterium

Nicht erst seit der Corona-Pandemie gibt es die Befürchtung, dass die Kluft zwischen finanziell st?rkeren und schw?cheren Fu?ball-Clubs gr??er wird. Nach Einsch?tzung von Meier wird die aktuelle Krise diese Entwicklung jedoch nicht entscheidend negativ beeinflussen: ?Die Ungleichheit nimmt grunds?tzlich zu, in allen Bereichen der Gesellschaft, also auch im Fu?ball. Der Unterschied ist, dass eine deutliche Dominanz von nur wenigen reichen Vereinen dazu führt, dass der Wettbewerb als zentrales sportliches Handlungsfeld deutlich an Spannung und Reiz verliert. Das ist nicht im Interesse der Leader, weshalb auch sie für ein Mindestma? an Chancengleichheit sorgen werden. Eine prinzipielle Ver?nderung ist deshalb nicht zu erwarten, h?chstens eine kurzfristige Schieflage. Ob allerdings die beteiligten Akteure dann noch die gleichen sind, bleibt abzuwarten.“

Spitzensport und Solidarpartnerschaft

Durch anteiligen Verzicht auf Millionengeh?lter und Spendenaktionen macht es den Anschein, als würden alle Akteure im Fu?ball in dieser Krisenzeit n?her zusammenrücken. Demnach w?re es denkbar, dass die Auswirkungen des 365足彩投注_365体育投注@ auf den Fu?ball auch einen positiven Nebeneffekt hervorrufen. Doch laut Meier ?ist der Spitzensport seit jeher durch ein au?ergew?hnliches Konkurrenzverh?ltnis bei gegenseitiger Abh?ngigkeit und notwendiger Kooperation gekennzeichnet. Sport?konomen haben hierfür den Begriff der ?Kooperenz“ eingeführt. Das hei?t, die Spitzenclubs im Fu?ball befinden sich in einer Art Solidarpartnerschaft, aber zugleich im Wettkampf um das knappe Gut ?sportlicher 365足彩投注_365体育投注@g“, den sie leidenschaftlich und auch hart austragen. Diese Konstellation ?ndert sich durch die Corona-Krise also nicht.“ In diesem Sinne würde laut Meier auch ein bereits diskutierter Saisonabbruch die Idee des gesamten Wettbewerbs konterkarieren und k?me nur als letzte Konsequenz in Betracht: ?Ein Abbruch setzt voraus, dass die gesamte Krise ungeahnte Ausma?e annimmt – und das deutet sich ja bereits an. Bei aller Wertsch?tzung für den Sport und den Spitzensport: Sofern der Schaden für die gesamte Gesellschaft den des Sports um ein Vielfaches übersteigt, muss man danach fragen, wie die Folgen für den Spitzensport hier einzuordnen sind.“

Foto (Universit?t Paderborn): Prof. Dr. Heiko Meier ist Sportsoziologe an der Universit?t Paderborn.

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